Draußen ist heute nur ein Rauschen. Stimmen gibt es nur, wenn es jemand ganz nah an mich heran schafft, jetzt, da ich sitze, und diese Zeilen schreibe, die nur eine Momentaufnahme sind.
Ein Wind trägt den Geruch von Urin an mich heran. Wenn die Ohrstöpsel meinen Gehörsinn nicht unterdrücken würden, wäre mein Geruchsinn sicher weniger empfindsam. Doch nun denke ich darüber nach, dass wohl irgendwo in der Nähe ein Toilettenfenster geöffnet worden ist und der Wind genau richtig bläst, um den Geruch in meine Richtung zu wehen.
Ich frage mich, ob die Mensa schon wieder geöffnet hat, weil sie in meinem Blickfeld liegt und viele junge Menschen bei ihr ein und aus gehen. Mit dem Uringeruch hat das jedoch nichts zu tun. Der kommt aus der genau entgegengesetzten Richtung.
Endlich bricht die Wolkendecke auf, aus der es laut Wetter-App doch eigentlich regnen sollte. Nun brennt die Sonne eine punktuelle Hitze auf meinen Rücken. Doch dann schließt sich die Wolkendecke schon wieder wie ein Theatervorhang, und die Schatten um mich verschwinden.
Vor mir befindet sich eine kleine Baustelle. Viele Absperrbaken, die einen Bagger einschließen – im Sinne von schützen. Arbeiter sind keine zu sehen an diesem Freitagnachmittag kurz nach zwölf Uhr.
Viele junge Menschen gehen in Gruppen. Nur wenige tragen Masken auf ihren Gesichtern. Viele Menschen tragen stattdessen Eiswaffeln in ihren Händen. Vielleicht gibt es in der Mensa statt Mittagessen auch das.
Eiscreme für angehende Studenten an einem windigen Tag, an dem es eigentlich regnen sollte.
Ich habe einige Fragen: Soll ich weitergehen und mir ein Eis holen? Soll ich weitergehen und dabei mein Hörspiel zu Ende hören? Soll ich auf den angekündigten Regen warten? Soll ich wieder nach Hause gehen?
Ich entscheide mich dafür, nach Hause zu gehen, an der Mensa vorbei und dabei mein Hörspiel zu hören. Mal sehen, ob dabei noch ein Regentropfen auf mich fällt oder der Wind lieber noch ein paar Gerüche in meine Nase trägt.
© Dominik Alexander / 2021
