Die meisten Bänke sind mit weißer Farbe beschmiert. Unsinniges, meist unleserliches mit weißen Stiften, die ich im Handel oft vergeblich suche. Einst hatte ich mir schönen, schwarzen Karton gekauft, schwarzer Untergrund, wo in der Regel weiß verwendet wird. Im Schwarz steckt einfach schon alles drin. Da braucht es schon das Nichts, um auf dem Alles etwas sichtbar werden zu lassen. Wo tabula rasa ist, erscheint jeder Strich als ein Etwas, eine sichtbare Hinzufügung – ein Kunstwerk vielleicht; in jedem Fall ein E(twa)s.
Kann man es einen Fetisch nennen, wenn ich stets das Besondere erstrebe, nie nur das Gewöhnliche will? Deshalb habe ich mir den schwarzen Karton gekauft. Und jagte nun von Geschäft zu Geschäft, erst offline, dann online, ohne je einen weißen Stift zu finden. Und fand ich einen, machte er schlapp, noch vor dem ersten fertigen Strich. Nicht deckend, ausgedünnte Farbe, klecksend, nicht trocknend.
Hier nun laufe ich in den Park hinein, komme an Parkbänken vorbei, aus Holz, dunkel gebeizt und wetterfest veredelt, und alle tragen auf ihren Rückenlehnen die Spuren pseudokünstlerischen Vandalentums. Ich erkenne dicke Kreide, dünnen Fineliner, silberen Marker, zuweilen ein dunkles Grün, das im Sonnenlicht metallisch schimmert, ebenso ein Gelb, ein Rosa. All dieses Gekrakel ist deckend, nie verschmiert. Und das auf diesem Untergrund, der beständig dem Wetter ausgesetzt ist.
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Es ist noch fünf Minuten zu Fuß, sagt sie und starrt dabei ihr Smartphone an. Daneben läuft ihre Freundin, ohne die sie vermutlich in den Hundehaufen getreten wäre.
Ein Fahrradfahrer fährt an meiner Bank vorbei: auf dem Kopf einen ohrenverhüllenden Kopfhörer, in der linken Hand ein Smartphone, in der rechten Hand die Sonnenbrille, die er verzweifelt versucht, sich auf den Kopf zu setzen. Vielleicht hat er dabei die Kopfhörer vergessen. Oder schlimmer: versucht es trotzdem, weil er denkt, mit seinen beiden Händen alles gut im Griff zu haben.
Während ich auf meiner Bank sitze, beobachte ich alles und jeden, der an mir vorbeiläuft, nah und in der Ferne. Manche davon beobachten auch mich. Einige sehen so aus, als warteten sie auf ein Zeichen von mir, um in Kontakt treten zu können. Doch heute will ich ausschließlich beobachten und schreiben.
Menschen, die behelmt auf ihren eigenen E-Rollern fahren, kaum schneller als Schrittgeschwindigkeit.
Zeternde Vögel, die am Rand des Großen Gartens besonders aggressiv scheinen.
Ein radfahrendes Rentnerpärchen, das nebeneinander fährt und jeden Fußgänger aus dem Weg klingelt.
Eine grauhaarige Frau auf ihrem schwerbelasteten Fahrrad: zwei Gepäckträgertaschen und ein Körbchen auf dem Gepäckträger hinten; vorne ein Jutebeutel mit pinkem Leuchtaufdruck am rechten Lenker. Schwer atmend pedalt sie an mir vorbei.
Junge Menschen, die ihre bunt gemusterten Decken auf einem Flecken im weiten Grün des Gartens ausbreiten, wie andere Deutsche ihre Strandtücher im Urlaub am hoteleigenen Pool.
Ein älterer Herr, Sportschuhe und Stirnband farblich gut aufeinander abgestimmt in leuchtendem Neongrün. Als er direkt an mir vorbeigeht, fällt mir auf, dass das Stirnband vermutlich nur dazu dient, seine Earpads in den Ohren zu halten. Immer wieder schaut er gehetzt auf seine Apple Watch, damit er nach Ablauf der Intervallpause direkt wieder durchstarten kann.
Eine weit verzweigte Eiche, deren Äste sich so sehr zur Erde neigen, als würde sie die Vorbeigehenden dazu ermutigen wollen innezuhalten und ihre Äste als Schaukel zu benutzen – Kommt, ihr Menschen, nehmt doch nicht alles immer so tragisch und seid einfach mal wieder Kind.
© Dominik Alexander / 2023