Zwischen Schnee und Dritter Halbzeit

Dicke Flocken fallen aus blauem Himmel
Weiß wie Schnee
Dick wie eine Daunendecke
Idyll für den
Der die Ohren verschließt
Denn nebenan tobt der Fußballfrust
Angeblich nur ein Spiel
Doch die Dritte Halbzeit ist schon vorbereitet
Noch lachen Polizistinnen vor ihren Einsatzwagen
Viel zu laut
Wie jeder lacht
Der angespannt ist
Und künftiges fürchtet
Wie Schneeschippen am Sonntagmorgen
Zwischen Lingnerplatz und Lennéstraße stoßen Kulturen aufeinander
Hier andächtige Stille
Gezeigte Weltoffenheit und
Sprachenvielfalt
Dort brachialer Singsang
Pfeifkonzerte
Die Ordnungsmacht in Lauerstellung
Die Sonne zeigt sich
Als wolle sie den Kulturkampf illustrieren
In Farbe hüllen
Wo alles doch nur schwarz und weiß ist
Wer sich dem aussetzt
Muss entweder bekloppt sein
Oder einsam
Er setzt sich lärmenden, rauchenden Menschen aus
Um das Alleinsein neu schätzen zu lernen
Bevor die Dritte Halbzeit beginnt
Läuft er durch die kalte Natur
Zurück ins ruhige Zuhause
Von ferne schallt noch immer das dumpfe Getöse
Hier und da löst sich eine Schneeflocke
Aus dem was längst weitergezogen ist
Wie lange sie wohl unterwegs war
Ihr gesamtes Leben ausgesetzt der immer lauter werdenden menschlichen Nichtsnutzigkeit
Was hier unten hörbar ist
Sind Frustgeschrei
Sind Schmähgesänge
Überwiegend feindliche Stimmung
Böllerkrachen
Davor angestachelt
Währenddessen aufgewiegelt
Danach dürfen endlich die Fäuste fliegen
Wenn die Polizei sie lässt
Vielleicht gehört es zum guten Ton
Dass man die Zeit etwas streckt
Und die Helikopter kreisen lässt
Bis zum Abend
Denn Dynamo liefert Schlagzeilen
Selbst die Stadtrundfahrt zieht hier ihre Kreise
Über was man spricht
Ist relevant
Ob gut oder schlecht
Wen interessiert das schon
Im Zweifel schlecht
Das bleibt im Gedächtnis
Gute Taten langweilen nur
Positives ist so schnell verpufft
Wie die kleine Schneeflocke geschmolzen
Gerade eben auf meiner Hand
Als das Stadion erbebt
Weil Dynamo wohl ein Tor erzielt hat.