Kolumne 666: Eintausend

Eintausend Likes für einen Blog zu erhalten, mag für andere nicht viel sein. Einige dieser kleinen Sterne stammen zudem von Bots, die meine Gedichte gar nicht gelesen haben. Dennoch ist etwas Schönes daran, etwas Positives, Anspornendes. Was mich schließlich zum heutigen Sonntag Abend bringt.

Zunächst jedoch etwas Vorgeplänkel. Als ich im September 2016 mein Scriptorium ’77 eröffnet habe, steckte ich gerade in einer längeren Krise fest. Ich wusste damals schon seit vielen Jahren, dass ich nicht nur Schriftsteller sein, sondern mit meinen Werken auch Geld verdienen wollte. Doch zu oft hatte ich mich verzettelt: in viel zu langen Romanen, die ich ohne Konzept einfach fortschrieb, ohne ein Ende zu finden; in zu vielen Gedanken, die ich meist nur im Kopf behielt, als sie zu Papier oder in den Computer zu bringen. Daran ist letztlich auch meine Dissertation gescheitert.

Unter anderem daran. Wie so viele Schriftsteller vor mir nagte auch ich an persönlichen Defiziten und physischen Krankheiten. Es gab so viel Halbgares, das raus wollte, zuweilen auch musste. Doch am Ende schluckte ich vieles einfach runter, stürzte mich in die Arbeit (als ich noch an der Universität war) und bemühte mich um andere, um nicht an mich selbst denken zu müssen. Doch dann kam die Arbeitslosigkeit, viel Zeit, aber kaum Muse zum Schreiben.

Ein Blog für etwas Ordnung im Schreiben und im Leben

Das Scriptorium ’77 habe ich anfangs als reinen Lyrik-Blog eröffnet. Gedichte sind die perfekte Form für experimentelles Schreiben, vor allem aber, um Stimmungen und Gefühle auszudrücken. Minimalistisch, mit Reim oder ohne, als Epos, Sonnet, Haiku, die Wörter auf ganz besondere Weise angeordnet und dadurch einen Sinn hinter den Wörtern mitgebend. Vor allem aber: Gedichte sind schnell abgeschlossen. Man geht spazieren, setzt sich ins Café, fährt in einem Zug, ist anderen Menschen oder der Natur ausgesetzt – schon entwickelt sich ein Gefühl. Ein Versatzstück formt sich, und das Gedicht beginnt.

Anfangs hatte ich nur sporadisch ins Scriptorium geschrieben. Meine bisherige Schreiberfahrung lag hauptsächlich in der Prosa. Lyrik mochte ich in der Schule nicht sonderlich. Also habe ich mich langsam herangetastet und experimentiert. Musste erst mal den Gedanken abschütteln, dass es in der Literatur ein Richtig und Falsch gibt. Dass alles erlaubt ist. Anfangs schrieb ich ohne kaum eine Resonanz. Doch das war nicht wichtig. Ordnung im Schreiben und im Leben stand zunächst an erster Stelle.

Communication is key

Während mein Blog immer mehr Gedichte in sich aufnahm, entwickelte sich mein analoges Leben nicht gerade auf der Überholspur. Drei Arbeitsstellen habe ich verschlissen – oder sie mich. Doch die erste von ihnen war am wichtigsten für meine Identität. Die zweite half mir bei der Weiterentwicklung. Die dritte bei dem, was ich im Leben gar nicht will.

Vor allem habe ich in dieser Zeit gelernt, dass das wichtigste im Leben ist, miteinander zu reden. Es bringt nichts, Probleme hinunterzuschlucken. Sie müssen raus. Entweder im direkten Gespräch oder als geschriebenes Wort. Literatur ist Problembewältigung. Das zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Macht vor mir nicht Halt. Und das ist gut so! In diesem Jahr 2023 habe ich meinem Scriptorium mindestens einen Beitrag pro Tag hinzugefügt. Google mag regelmäßige Updates. Aber auch das ist nicht wichtig.

Rausgehen und sich der Kritik stellen

Ich will nicht nur Schriftsteller werden, sondern es sein. Dazu gehört auch, mich vis-à-vis mit richtigen Menschen auseinanderzusetzen. Rausgehen, auf die Bühne stellen, mich aussetzen, lesen und mein Werk mit mir als Person verknüpfen lassen, schließlich: mich der Kritik stellen. Lange habe ich nur für mich geschrieben, ausschließlich im Scriptorium veröffentlicht. Neben Bots haben auch richtige Menschen Likes dagelassen, in letzter Zeit sogar ein paar Kommentare. Vielen Dank dafür!

Es waren vor allem die Kommentare, die mich dazu brachten, in meiner Stadt nach einer Möglichkeit zu suchen, mich selbst auf die Bühne zu stellen. Am heutigen Sonntag, 20 Uhr ist es soweit. Zum ersten Mal werde ich etwas eigenes vor Publikum lesen. Entschieden habe ich mich für die Kurzgeschichte Barrakuhda. Jeder Teilnehmer hat zehn Minuten Zeit. Nicht viel, aber es ist ein Anfang. Von etwas, das sich richtig anfühlt.


        © Dominik Alexander / 2023


Kolumne 666 besteht aus eben so vielen Worten. Dabei werden zwei Themen miteinander verwoben, die zuweilen nur marginal etwas miteinander zu tun haben. Ein Thema ist aus dem Pool an Schlagzeilen der vergangenen letzten Tage entnommen; das andere Thema entstammt meiner eigenen Biographie. Kolumne 666 ist ein serienhafter Kommentar zum Zeitgeschehen und soll zum Nachdenken mit anschließender Diskussion anregen; entweder hier oder im eigenen Bekanntenkreis.

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