Gesammelt. Gejagt. Gehalten. Verzehrt

Wann ist der Mensch vom Sammler zum Jäger geworden?
Richtig: mit der Waffe in der Hand
Fand er, wie er auch ohne Verstand
Zur Krone der Schöpfung sich geriert
Darüber hinaus im Winter nicht mehr friert
Denn jetzt kann er endlich den Tieren das Fell abziehen
Das nimmt er so als Bonus mit
Neben Fleisch, Innereien und ausgekochten Knochen
Für fette Brühe, die ihn immerzu traurig anglotzt
Aus hunderten hängelidrigen Triefaugen
Doch wirft er dort das Fleisch hinein
Schwimmen sie von dannen
Dann kann ihr Selbstmitleid ihn nicht mehr übermannen —

Gemüse? Ach, das muss nicht wirklich sein
Das sollen die Karnickel fressen
Wenn sie so selbstvergessen
In ihren selbstgebauten Verschlägen hausen —

        selbstgebaut vom Halter
        nicht etwa von den Karnickeln

Wollen gar nicht mehr nach draußen
Sondern nur noch
Fressen, fressen, fressen
Den ganzen Tag
Und alle Besucher anglotzen
Mit ihren treudoofen Augen
Die vermutlich ebensowenig wissen
Wie die Augen in der Suppe
Dass sie als übernächster Leckerbissen
Auf feinem Tafelsilber landen werden —

Gesammelt
Gejagt
Gehalten
Verzehrt

Die Würde des Tieres dabei grundlegend versehrt
Doch so ist das nun mal
Mit jeder höheren Form von Leben
Je größer, desto fetter
Und weniger netter
Zu niederen Geschöpfen
Denn die muss man kröpfen
Zum Erhalt der eigenen Art
Klasse braucht es dafür nicht
Sondern Faustkeile
Messer
Gewehre
Kanonen
Und an erster Stelle vor allem eins:
Hände
Auf keinen Fall den Verstand
Den braucht es nicht
Um eine Waffe zu bedienen
Erschießen kann einen anderen Menschen
Bereits ein neunjähriges Kind —

Kehren wir zum Ursprung zurück
Zum Sammeln
Gehört dazu schon sehr viel mehr
Viele Hände
Und enormer Verstand
Um eine Menschengruppe zu versorgen
Und sie nicht etwa zu ermorden
Durch giftige Beeren, Kräuter, Pilze
All das spätere Gesülze
Um Rechte
Was dem Menschen also zusteht und zugute kommt
Im Gegensatz zum Linken
Das aus dem Hinterhalt kommt
Und immer schon
Subversiv
Gegen jegliches friedliches Zusammenleben ausgerichtet war
Gab es in der Zeit des Sammelns nicht
Da gab es lediglich das Recht des Findungsreichsten
Der den ersten Faustkeil schuf
Und damit gleichzeitig
Das Recht des Findungsreichsten
Mit dem Recht des Stärkeren ersetzte —

Mit dem Recht trat das Linke zwischen die Menschen

Von da an ging alles nur noch bergab
Minderte sich das Gute
Die Kommunikation
Die Gemeinschaft
Der Verstand
Vermehrte sich das Schlechte
Waffen
Kriege
Menschen —

Sammeln dient heute nicht mehr dem Überleben
Nur noch Nerds und Spinner sammeln
Sammeln wird belächelt
Außer bei Waffen
Da ist es schick
Als sich die Natur als tödlich erwiesen hatte
Wir erinnern uns: Beeren, Kräuter, Pilze
Da schlug der Mensch zurück
Wurde zum Jäger der Natur
Woher hatte er das nur?
Woher dieser Drang
Sich einen Namen zu erschießen
Einen Rang
Wenn doch am Ende nur ein Grabstein überdauern kann?

Zuerst hat er gesammelt
Dann wurde er Jäger

Steht schließlich auf dem Kenotaph
Weil Geld einfach alles darf.


        © Dominik Alexander / 2023

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