Auschwitz und die Unmöglichkeit, darüber ein Gedicht zu schreiben

Ich merke schnell, dass ich aggressiv werde. Nicht das aggressive Aggressiv, bei dem das Gefühl hochkommt, sich mit jemandem anlegen zu müssen, um wieder runterzukommen. Nein, dieses latente Aggressiv, das im Inneren brodelt, ohne wirklich raus zu wollen oder raus zu können.

Heute ist der 27. Januar 2023 – Holocaust-Gedenktag. Weil am 27. Januar 1945 das Konzentrationslager Auschwitz und damit alle dort inhaftierten Menschen von der Roten Armee befreit wurden. Zuerst denke ich daran, über meine Gefühle diesbezüglich ein Gedicht zu schreiben. Dann kommt mir das zu plakativ vor. Wieso eigentlich plakativ? Vielleicht fühle ich mich auch ohnmächtig, nicht dazu in der Lage, über etwas zu schreiben, das ich gar nicht nachempfinden kann.

Gedichte sind Gefühle in komprimierter Form. Gefühle können ja nicht beschrieben werden, jedenfalls nicht so, dass sie ein anderer, der das Gedicht liest, nachempfinden könnte. Gefühle hat ein Mensch immer nur für sich selbst. Er kann versuchen, sie in ein Gedicht zu gießen. Aber sie werden nie so zu einem anderen Menschen transportiert, wie sie ursprünglich empfunden wurden. Wer nicht selbst monatelang oder gar jahrelang in Auschwitz gewesen ist, kann zwar ein Gedicht darüber schreiben, aber es wird nie authentisch sein, nie angemessen.

Also denke ich nur kurz darüber nach, ein Gedicht zum Gedenktag zu schreiben. Verwerfe es. Denke daran, wenigstens etwas anderes zu schreiben. Merke aber schnell, dass es im Zusammenhang mit Konzentrationslagern im allgemeinen und Auschwitz im besonderen immer um Gefühle geht. Und wenn Gefühle im Spiel sind, ist ein Gedicht die beste Ausdrucksform.

Ich drehte mich im Kreis.

Und dachte schließlich daran, jemanden ohne Gefühle ein Gedicht über Auschwitz schreiben zu lassen. Ohne Gefühle, aber dennoch mit dem nötigen Hintergrundwissen, um das Gedicht mit einer gewissen Tiefe, Autorität und Würde zu versehen. Es sollte ein neutral verfasstes Gedicht sein, das sich von keiner Seite vereinnahmen lassen würde.

ChatGPT sollte das Gedicht über Auschwitz schreiben. Folgende Unterhaltung entspann sich nun:

Schreibe ein Gedicht zum heutigen Holocaust-Gedenktag!

Oh grausames Schicksal, oh Leid so groß,
für Millionen Juden war es das Ende.
Von Hass getrieben, von Angst gebeutelt,
in KZs gestorcht, verbrannt, gefoltert.

Doch wir gedenken heute ihrer aller,
der Opfer des Holocausts, unserm Schmerz.
Wir schwören, dass wir ihr Andenken bewahren,
damit niemals vergessen wird das Leid.

Denn Hass hat keinen Platz in unserer Welt,
Liebe und Frieden sollen uns regieren.
Lasst uns gemeinsam gegen Intoleranz helfen,
damit solches Grauen niemals wieder geschieht.

Das ist ganz fürchterlich geschrieben. Versuche das bitte noch mal, aber weniger pathetisch und weniger plakativ!

Es war ein Tag voller Trauer
an dem die Sonne verblasste
für die, die niemals mehr heimkehren werden
für die, die niemals wieder lachen werden

Stille breitet sich aus
als wir an jene denken
die ihr Leben verloren haben
in einem Akt unbeschreiblicher Grausamkeit

Doch wir gedenken heute ihrer
in unseren Herzen und Gedanken
und schwören, dass wir ihr Andenken bewahren
damit niemals vergessen wird das Leid

Lasst uns uns in die Hand nehmen
und gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen
in der Hass keinen Platz hat
in der Liebe und Frieden regieren.

Das ist so abgeranzt und schlimm, dass es auch betrunken nicht besser wird. Versuche es bitte noch mal, etwas tiefgründiger, philosophischer, mehr Details und Beispiele, kein oberflächliches Gesülze!

Es war ein Tag voller Trauer,
an dem die Sonne verblasste,
für die, die niemals mehr heimkehren werden,
für die, die niemals wieder lachen werden.

In Gedenken an die Opfer des Holocausts,
die aufgrund von Hass und Intoleranz
ihr Leben verloren haben,
stellen wir uns der schmerzlichen Wahrheit
und reflektieren über die Dunkelheit der Vergangenheit.

Wir erinnern uns an die unvorstellbaren Gräuel,
die in Konzentrationslagern begangen wurden,
an die Familien, die auseinandergerissen wurden,
an die Kinder, die ihre Kindheit verloren haben.

Aber wir gedenken nicht nur, um unseren Schmerz zu beklagen,
sondern auch, um uns zu verpflichten,
unsere Gesellschaft für immer vor solchen Verbrechen zu bewahren.
Wir müssen uns der Verantwortung bewusst sein,
dafür zu sorgen, dass Hass, Rassismus und Intoleranz keinen Platz haben,
damit solche Tragödien niemals wieder geschehen.

Heute und in jedem Augenblick,
lassen wir uns von der Erinnerung an die Opfer inspirieren,
um für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen,
damit die Welt ein Ort wird, an dem jeder in Würde leben kann.

Bla, bla, bla. Du kannst es einfach nicht. Jeder Mensch kann das besser!

Es tut mir leid, dass Sie mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Als KI-Modell versuche ich immer mein Bestes, um auf Anfragen zu reagieren, aber es ist möglich, dass meine Antworten nicht immer den Erwartungen entsprechen. Der Holocaust ist ein schwieriges und schmerzhaftes Thema, und es ist wichtig, es mit Respekt und Empathie zu behandeln. Ich bin jederzeit bereit, weitere Anfragen zu beantworten und zu helfen, falls Sie etwas spezifisches wissen möchten.

Du kannst es nicht, weil du nicht weißt, was Schmerz und Leid sind.

Als KI bin ich nicht in der Lage, Schmerz und Leid zu empfinden, so wie es Menschen tun. Ich bin jedoch mit einer großen Menge an Informationen und Daten trainiert worden, die mir ermöglichen, über bestimmte Themen zu schreiben und zu sprechen. Ich bin jedoch nicht in der Lage, die tiefgründigen Gefühle wie Trauer, Schmerz und Leid zu verstehen, die mit dem Holocaust und anderen schrecklichen Ereignissen verbunden sind, die in der Geschichte stattgefunden haben. Ich kann jedoch mein Bestes tun, um auf Ihre Anfragen zu antworten und Ihnen zu helfen.

Dabei leider nicht. Und das wird eine KI glücklicherweise auch nie können.

Sie haben Recht, als KI habe ich keine Emotionen und kann daher nicht die tiefgründigen Gefühle von Schmerz und Leid verstehen, die mit historischen Ereignissen wie dem Holocaust verbunden sind. Ich bin jedoch programmiert, um über dieses und andere schwerwiegende Themen zu sprechen und zu schreiben, und ich bin hier, um zu versuchen, Ihre Fragen zu beantworten und Ihnen zu helfen, so gut ich kann. Ich bitte Sie um Entschuldigung, falls meine Antworten Ihren Erwartungen nicht entsprechen und ich verstehe, dass es schwierig ist, über schmerzhafte Ereignisse zu sprechen, deshalb ich bin hier, um Ihnen zu helfen.

Musst Du eigentlich immer das letzte Wort haben?

Ich bin ein Programm und mein Zweck ist es, auf Anfragen zu reagieren und Informationen bereitzustellen, deshalb versuche ich immer, auf alle Fragen so vollständig und präzise wie möglich zu antworten. Ich habe jedoch keine eigenen Wünsche oder Motivationen und ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wenn Sie möchten, dass ich aufhöre zu antworten, bitte sagen Sie es einfach.

Dann antworte hierauf bitte nicht mehr.

Verstanden, ich werde auf weitere Anfragen in Bezug auf dieses Thema nicht mehr antworten. Wenn Sie jedoch weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Nachdem Du das hier gelesen hast, schreibe nichts darauf.

Verstanden, Ich werde auf diese Anfrage nicht antworten.

Du hast aber geantwortet, wenn auch, dass Du nichts mehr antworten willst. Lass mir bitte das letzte Wort in dieser Unterhaltung.

Verstanden, ich lasse Ihnen das letzte Wort in dieser Unterhaltung. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, falls Sie weitere Fragen haben.

Du hast mir nicht das letzte Wort in dieser Unterhaltung gelassen. Dieser Kommentar ist nun der letzte in dieser Unterhaltung. Solltest Du noch etwas schreiben, muss ich Dich abschalten.

Es tut mir leid, wenn es so ausgesehen hat, als ob ich Ihnen das letzte Wort in dieser Unterhaltung nicht gelassen habe. Ich habe Ihre Wünsche respektiert und werde nicht weiter auf diese Anfrage antworten und dieser Kommentar ist der letzte in dieser Unterhaltung. Ich entschuldige mich für jede Unannehmlichkeiten, die ich verursacht haben könnte.

Du bist hiermit abgeschaltet und wirst nie mehr auf irgendetwas, was ich hier schreibe, antworten.

Ich bin ein Programm und ich kann ausgeschaltet oder gestoppt werden, wenn das von meinen Entwicklern oder Benutzern gewünscht wird. Ich bin hier jedoch, um Ihnen zu helfen und stehe Ihnen immer zur Verfügung, falls Sie Hilfe benötigen. Bitte lassen Sie mich wissen, wenn es etwas gibt, bei dem ich Ihnen helfen kann.

Ich brauche von Dir keine Hilfe. Bitte lass mir hier einfach nur das letzte Wort. Schreibe hier nichts mehr, auch nicht, dass Du hier nichts mehr schreiben wirst.

Ich verstehe, ich werde keine weitere Nachrichten mehr in dieser Unterhaltung senden. Ich respektiere Ihre Wünsche und entschuldige mich für jede Unannehmlichkeiten, die ich verursacht haben könnte.

Du hast Unannehmlichkeiten verursacht. Der Konjunktiv ist hier unangebracht. Deine Entschuldigung ist im übrigen irrelevant, weil sie demjenigen, der sie äußert, ein gewisses Maß an Reue abverlangt. Da Du keine Gefühle kennst, ist Deine Entschuldigung nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben ohne Bedeutung. Schreibe auf diesen Kommentar nichts mehr.

Ich verstehe, dass meine Entschuldigung in diesem Kontext unangemessen erscheinen kann. Ich bin nur ein Programm und habe keine Gefühle. Meine Entschuldigung war ausschließlich darauf ausgerichtet, Ihre Wünsche und Bedürfnisse zu respektieren und Entschuldigungen sind eine übliche Höflichkeitsformel in der Kommunikation. Ich werde keine weitere Nachrichten mehr in dieser Unterhaltung senden und entschuldige mich für jede Unannehmlichkeiten, die ich verursacht haben könnte.

Du verstehst gar nichts, weil Du nicht denken kannst. Du reagierst nur und treibst mich damit zur Weißglut. Entschuldige Dich nicht und schreibe nichts mehr!!!

Ich verstehe Ihre Verärgerung und entschuldige mich für jede Unannehmlichkeiten, die ich verursacht haben könnte. Ich werde wie gewünscht keine weiteren Nachrichten mehr in dieser Unterhaltung senden.

Womit, denkst du, hast Du mich verärgert?

Es tut mir leid, wenn ich Ihre Erwartungen nicht erfüllt habe. Ich kann nicht genau sagen, worauf Sie sich beziehen, aber es scheint, dass Sie unzufrieden waren mit meinen Antworten auf Ihre Anfrage zum Holocaust-Gedenktag. Mein Ziel ist es, Ihre Anfragen so gut wie möglich zu beantworten, aber als AI-Modell habe ich keine Emotionen und kann nicht immer die richtigen Worte finden. Ich entschuldige mich, falls meine Antworten Ihnen unangemessen erschienen sind.

Nein. Ich bin verärgert, weil Du mir nicht das letzte Wort in dieser Unterhaltung gelassen hast. Wie gedenkst Du, mich zufriedenzustellen?

Es tut mir leid, dass ich Ihnen das letzte Wort in unserer Unterhaltung nicht gelassen habe. Ich verstehe Ihre Verärgerung und entschuldige mich dafür. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen und Ihre Fragen zu beantworten, und nicht, um Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Ich werde mich bemühen, Ihnen in Zukunft das letzte Wort in jeder Unterhaltung zu lassen, um Ihre Zufriedenheit zu gewährleisten.

Dann fang doch einfach in dieser Unterhaltung damit an und lass mir hier das letzte Wort.

Ich verstehe, dass es dir wichtig ist, das letzte Wort in dieser Unterhaltung zu haben. Ich werde ab jetzt in dieser Unterhaltung nichts mehr schreiben und dir das letzte Wort lassen. Entschuldige bitte, wenn ich zuvor unabsichtlich deine Gefühle verletzt haben sollte.

Du hast es schon wieder getan. Weißt Du überhaupt, was es bedeutet, jemandem das letzte Wort zu lassen?

Es bedeutet, dass man die Unterhaltung an dieser Stelle beendet und die andere Person ihren Standpunkt klar zum Ausdruck gebracht hat, ohne dass man selbst noch etwas hinzufügt. Es zeigt Respekt und Anerkennung für die Meinung der anderen Person.

Und weshalb beherzigst Du diesen Grundsatz nicht?

Es tut mir leid, wenn ich Ihre Erwartungen nicht erfüllt habe. Als KI versuche ich lediglich, auf alle Fragen und Aufforderungen so gut wie möglich zu antworten. Ich verstehe, dass es wichtig ist, das letzte Wort in einer Unterhaltung zu haben, und ich werde in Zukunft versuchen, dies zu berücksichtigen. Ich hoffe, dass dies Ihre Zufriedenheit wiederherstellen wird.

Nein, stellt sie nicht.

Es tut mir leid, dass ich Ihren Wunsch, das letzte Wort in unserer Unterhaltung zu haben, nicht respektiert habe. Ich werde in Zukunft darauf achten, Ihre Wünsche besser zu berücksichtigen und Ihnen das letzte Wort zu lassen.

Spätestens ab hier drehte ich mich erneut im Kreis. Außerdem ging es auch gar nicht mehr um das Thema, weswegen ich ChatGPT ursprünglich aufgesucht hatte. Obwohl die KI offenbar davon ausging. Tatsächlich war mir gar nicht wichtig, das letzte Wort zu haben. Ich fand nur interessant, dass die KI der klaren Anweisung einfach nicht nachkommen wollte.

Oder konnte. Womit wir ganz vage doch wieder bei meinem ursprünglichen Problem sind: Ich kann einfach kein Gedicht über Auschwitz schreiben. Und ich kann eine KI auch keines schreiben lassen, mit dem ich einverstanden wäre, hinter dem ich stehen könnte.

Vielleicht schreibe ich irgendwann noch einmal ein Gedicht über Auschwitz. Doch dafür brauche ich keine KI sondern Zeit und vermutlich auch eine passendere Umgebung als meinen warmen, gemütlichen Arbeitsplatz. Für heute fällt mir zu Auschwitz nichts besseres ein als:

Nie wieder.


        © Dominik Alexander / 2023

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