Les deux amis

Zwei Freunde sitzen miteinander auf einem Stein. Die Kamera fährt von ihnen weg und in ihren Rücken. Es zeigt sich, dass die zwei Freunde auf einer Anhöhe sitzen. Freie Sicht auf eine Stadt im Tal zu ihren Füßen. Offenbar haben beide eine Wanderung hinter sich und ruhen sich nun aus. Oder versuchen es wenigstens. Denn es dauert nicht lange, bis einer der beiden das Wort ergreift.

        Es ist wirklich schön hier
        So ruhig
        Wenn die Stadt so weit weg ist
        Hört sich der Lärm nur noch an wie ein Rauschen
        Es ist beinahe wie im Wald
        Wenn der Wind sanft mit den Blättern spielt
        Ach
        Was für eine behagliche Stille
        Niemand sagt ein Wort
        Keine Arbeitskollegen
        Die von ihren Problemen erzählen
        Während dir die Deadline wie ein Rasiermesser an der Kehle hängt
        Das ist schon schön
        Hätten wir längst mal machen sollen
        Endlich mal wieder raus in die Natur
        Zu den Tieren
        Deren Gespräche wie Poesie klingen
        Nur Zwitschern
        Kein Geplärr
        Nur scheue Blicke
        Keine Befehle
        Oder neue Aufgaben
        Kommandiert wie Gewehrsalven
        Mein Gott
        Wo anders kann man noch so eine Ruhe erleben!

                Lass uns die Ruhe doch einfach mal genießen

        Das mach ich doch

                Ich meine
                Ohne Reden
                Ohne Kommentar

Der redseligere von beiden schaut den Freund von der Seite an. Er scheint zu überlegen, was der andere meint. Er scheint sich nicht sicher zu sein. Sagt aber trotzdem:

        Okay

Die zwei Freunde schauen wieder gemeinsam ins Tal, in die Stadt. Wenige kleine weiße Wolken ziehen über ihnen vorbei.

        Das ist schon irgendwie unangenehm

                Was?

        Das Schweigen

                Du meinst die Stille?

        Nein
        Das Schweigen
        Immerzu frage ich mich
        Was du jetzt wohl denkst

                Wirklich?
                Denkst du nicht eher darüber nach
                Was du alles sagen könntest?

        Vielleicht auch das
        Doch während ich es nicht sage
        Vergesse ich es

                Ist das denn schlimm?

        Ein bisschen
        Ich wünschte
        Ich müsste gar nichts denken
        Und könnte einfach die Stille genießen

                Dann sei einfach nur hier
                Hier und jetzt
                Nicht dort und dann
                Oder da und einst
                Nur hier
                Bei dir
                Bei mir
                Bei uns
                Bei den zwei Freunden.


        © Dominik Alexander / 2023

4 Comments Add yours

  1. Es ist schon bemerkenswert, wie schwer es manchen fällt, mit Ruhe “zurecht zu kommen” . “Music for elevators” hat Brian Eno komponiert”. Und “Music for airports”. Auf dem WC im Einkaufszentrum eher doch “El condor pasa”, das geht immer. Und im guten Restaurant ist der Kellner nicht erfreut, wenn man ihn ersucht, das seichte Gedudel möglichst abzustellen…… Wir sprechen inzwischen viel von Luftverschmutzung, aber akustische Verschmutzung bei der Friseuse, im Taxi….ist nach wie vor nur Randthema.

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    1. Mir ging es kürzlich beim Zahnarzt so. Weil ich wusste, dass es länger dauert, hatte ich mir ein Buch mitgenommen. Saß dann zwischen zwei Behandlungen fast eine Stunde im Warteraum, aber konnte mich auf mein Lesen einfach nicht konzentrieren, weil irgendein Radiosender dudelte. Noch schlimmer ist aber die Musik in Einkaufszentren, die ja sogar unterschwellig zum Einkaufen animieren sollen. Zum Glück nervt mich das aber so sehr, dass ich manchmal sogar weniger kaufe als ich ursprünglich wollte. Aber genau deshalb mag ich Friedhöfe so sehr, weil das beinahe die einzig übrigen Orte sind, in denen man vom Zivilisationslärm verschont bleibt. Aber die meisten Menschen sind leider so konditioniert, dass sie die Ruhe nicht mehr aushalten oder gar genießen können.

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      1. Genau so ist es. Am Schlimmsten diesbezüglich habe ich China in Erinnerung. Und all der Mist per Lautsprecher geliefert. Und dann kommt der Punkt, da man Stille nicht ertraegt. Fernseher läuft, auch wenn Gäste da sind und ohnehin niemand hinsieht. Das ist dann der Nährboden für tiktok.

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        1. An tiktok habe ich mich fünf Minuten versucht und habe es einfach nicht ausgehalten. Schnelle Schnitte, sinnfreie Inhalte, dumme Verschwendung von Lebenszeit. Verstehe aber auch, wie dieses Prinzip süchtig machen kann und bedaure jeden, der sich davon gefangennehmen lässt.

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