ich war auf der buchmesse, weil es umsonst war. und wegen österreich

wir drängen, schieben und brummen
uns durch den lesestrom
unter der stickigen glasglocke
über der das blau mit den dahinziehenden wolken ein ruheanker ist
aber auch ein brennglas

wir ziehen von einer zum anderen halle
von einem zum anderen stand
machen uns bekannt
oder versuchen es
knüpfen lose kontakte
bilden ein geflecht
das augenblicklich zerbricht
sobald wir weiterziehn

wir sind keine stalker
wir sind fans

gällt es quäkig von drei kreischenden gören
sie vertreiben einen herrn im anzug
der mittagsruhe gesucht
und überdrehte mangamädchen findet

ein anderer mann präsentiert präsig ein weißes t-shirt
he loves K1
trägt einen auf hip getrimmten bud-spencer-bart
und einen schwangerenbauch vor sich her
der bei den meisten männern vom bier rührt

die farbe der masse ist grün
neben dem rot-weiß der österreicher
laufen mädchen mit grünen haaren
männer mit grünen hosen
damen mit grünen taschen

dicke bäuche sind in
vor allem bei verschämt mangalesenden mittelalten männern
wenn junge mädchen nicht vollständig als comicfigur verkleidet sind
tragen sie wenigstens fellohren
überfrauhohe plateaus an zarten girliebeinen
nehmen mir nach und nach die angst
sie würden mir beim vorbeilaufen in die arme fallen
weil sie den halt verlieren vom seitenwind

auf der leipziger buchmesse von der mutter im kleinkindalter gewickelt
von dieser frühen lebensepisode und den erzählungen davon am weihnachtsabend
träumt gewiss jeder junge mann

wahrscheinlich laufen hier auch menschen
die sich seit corona zum ersten mal wieder unter menschen trauen
es gibt tätowierte und kostümierte
menschen, die unter ihren schuhen plötzlich werbeaufkleber entdecken
frauen mit dreadlocks und regenbogentüten
überhaupt beutel
linke verlage verlangen geld dafür
während die anderen sie als das verteilen, was sie sind
kostenlose werbeträger

habe ich etwas zu sagen
das frage ich mich hier
zwischen all den stimmen geht meine doch unter
wenn man nicht brüllt
sich kostümiert
sich in neon kleidet
oder etwas auffälliges an sich hat
ein vollschlankes hinterteil
ein massenmördergesicht mit roten hosen

auffallen
herausstechen

im zeitalter des individualismus
wo der einzelne ein unikum ist
ständige reizüberflutung
dazu heroische musik zum einmarsch der gladiatoren
dabei ist es nur ein dichter mit schütterem haar

ein grünes zelt über einem menschen mit pinkem rucksack und fitzekbeutel aus plastik

spätestens da ergreift mich das grauen
so wie fitzeks bücher es nie können
muss mich zusammenreißen
um nicht zu schreien

doch weshalb eigentlich nicht?

das ist meine chance auf aufmerksamkeit
ein langgezogener schrei zieht durchs gewölbe
bricht sich am glashalbrund
rieselt zaghaft zurück auf den urheber

kurze pause

darauf folgt ein DADA gedicht
lange spitze schreie
gefolgt von lockendem rufen
anhaltendes brüllen
durchsetzt mit glucksendem stöhnen
hier und da ein weinen
und freudloses lachen
das sind diese sachen
die DADA durchsetzen
zerfetzen
benetzen
und abgeschafft haben
weil die welt selbst schon grotesk genug ist

Da!
Da!

ist der ausgang

Nächstes Jahr!
Aber nächstes Jahr!

bin ich berühmt.


        © Dominik Alexander / 2023

Please share your thoughts!

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.