Moment des Übergangs

Beim Einschlafen nehme ich mir fast immer vor, den Zeitpunkt bewusst zu erleben, da es soweit ist und ich hinübergleite in den Schlaf. Manchmal glaubt man, man könne in dieser Nacht gar nicht mehr schlafen. Dann ist es schon lange dunkel; ist immer noch dunkel – immer noch. Und plötzlich ist es hell und man kann nicht mehr sagen: Was habe ich zuletzt gedacht? Was war dieser letzte Gedanke, der mich zum Schlafen bewegen konnte?

War es das einhundertunderste Schaf?

Der Apfel auf der Einkaufsliste?

Dieser ganz großartige Plot für die nächste Kurzgeschichte, der mir jetzt natürlich nicht mehr einfällt, weil ich gestern genau da eingeschlafen bin und mich nicht noch ein letztes Mal aufraffen konnte, um diesen Gedanken auf ein Stück Papier zu kritzeln?

Wieder einmal wache ich auf und versuche, meine Gedanken zu sammeln. Woran habe ich zuletzt gedacht? Also vor gefühlt einer Sekunde? Doch mein Hirn macht da nicht mit, weil es – ohne mich – schließlich gerade ziemlich zu tun hatte mit Aufbereiten, Aufarbeiten, Abarbeiten, all diesen nächtlichen Absonderlichkeiten, die ich den Tag über wie nebenbei in mich aufgenommen habe. Und die es in der Nacht natürlich wieder loswerden musste – ohne mich.

Wie soll sich mein Hirn da an diesen einen Gedanken erinnern, der schon halb Schlaf war, aber doch noch ein bisschen Wach?

Wen das Gestern immer schon mehr interessiert hat als das Jetzt oder das Morgen, ist natürlich frustriert: über das Hirn, sich selbst, vor allem aber DIESE BAUARBEITEN VOR DEM GEÖFFNETEN SCHLAFZIMMERFENSTER!!! Vor allem letzteres ist schuld daran, dass der Gedanke nicht mehr da ist, das Bild des Übergangs, das Vergänglich-Nichtvergängliche. War es etwas Wichtiges? War es etwas Unwichtiges? Lohnt es sich, darüber zu grübeln und den Sonnenaufgang zu verpassen?

Eines ist jetzt jedenfalls sicher: Dreh dich nur nicht noch einmal um! Nicht noch für fünf Minuten dösen! Denn dann denkst du an gar nichts, auch nicht ans Einschlafenwollen und schläfst doch innerhalb von zehn Sekunden und wachst erst in zwei Stunden wieder auf.


        © Dominik Alexander / 2024
        © jplenio (image)

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