Jeden Morgen schalte ich mein Denken aus
Indem ich das Radio einschalte
Ich rede mir ein:
Ich suche nach Inspirationen
Oder schlimmer:
Ich will wissen, was in der Welt passiert
Dabei interessiert mich die Welt nicht
Mich interessiert nur ich
Und dieses Ich schalte ich ab —
Jeden Morgen nach dem Aufwachen
Noch im Bett liegend
Lechze ich nach aktuellen Katastrophen
Die mich vom Selbst ablenken könnten
Dabei ist es schön zu denken
Schreibend zu denken
Das aus mir herauszuschreiben
Was bei Radiokonsum doch nur länger als nötig wäre in mir bleibt
Denn dann kann es sich einnisten
Kann Verbindungen knüpfen
Mit anderem längst Verborgenen
Neue Verbindungen
Die sich zu neuen Ängsten verknüpfen
Irrealen
Denn sie sind ja nicht in der Welt
Sondern nur in mir selbst —
Jeden Morgen versuchen sie
Aus mir auszubrechen
Doch ich lasse sie nicht
Jeden Morgen setze ich den Radiorausch
Gegen den Denkrausch
Und damit den Denkausbruch
Ich sperre ein
Was hinaus will
Bis es sich aus Bequemlichkeit
Einquartiert
Einnistet
Und meine Macht in eine Ohnmacht verkehrt —
Doch heute Morgen
Ist ein anderer Morgen
Ist ein neuer Morgen
So wie jeder neue Morgen ein anderer Morgen ist
Und umgekehrt —
Heute habe ich das Denken zugelassen
Weil ich das Radio ausgelassen habe
Sprachlich ein Widerspruch
Doch in Wahrheit eine Befreiung
Aus dem Schreiben heraus wird das Denken klarer
Mein Selbst wacher
Und das beste daran:
Wenn ich jetzt Radio höre
Interessiert mich sogar wieder
Was in der Welt passiert.
© Dominik Alexander / 2022
