Über unseren Köpfen ein Lichtermeer

Die Tage mit dem leeren Blatt Papier und den leeren Gedanken sind längst vorbei
Leere ist ja nirgends
Wo ist denn heutzutage Leere?
Alles ist angefüllt
Es lässt sich nichts ergründen

An der tiefsten See verschmelzen Tiere mit dem Boden
So wie Wüstensand mit dem Himmel
Eine Farbe
Die sich in jedem menschlichen Auge
Anders bricht
Und erscheint mal rötlich
Mal orange
Mal gelblich
Ocker
Grünlich
Bis ins Bläuliche hinein

Regenbogen der Sinne
Von dem jeder Mensch
Immer nur eine Farbe sieht

Am liebsten habe ich das sandig Gelbliche
Das für das Auge am angenehmsten ist
Ich rede von dem Blatt Papier
Ganz ohne Linien und Punkte
Kommt es aus
Angenehmes milchig-gelbliches Papier
Wie eine plattgewalzte Eierschale

Nichts lenkt ab
Und doch sah ich einst in diesem Blatt
Den Wüstensand langsam in den Himmel übergehen
Schloss ich die Augen
Spürte ich den aufkommenden Wind
Bei Sonnenuntergang
Ich spürte
Wie schnell die Kälte auf die Haut uns kroch
Und gar nicht viel später
Feinen Sand auf dem Nachtlager im Zelt
So viele Sterne über unseren Köpfen
So viel Leben
Das miteinander
Gegeneinander
Um die Wette
Und so unendlich weit voneinander entfernt
Blinkte
Und blinkte
Und blinkte
So ein unwahrscheinlich großes Lichtergitter im Dunkel der Welt
Und als ich einschlief
Die violetten Träume
Vielschichtig und unklar
Bei Tage betrachtet eindeutig und klar

So viele Jahre ist das schon vorbei
Doch immer noch in meinen Gedanken
Auf meinem inneren Blatt Papier
Milchig-gelb wie Eierschalen.


        © Dominik Alexander / 2023

2 Comments Add yours

  1. Ein wunderbarer Text! So viel fällt mir dazu ein. Wie etwa ein schmales japanisches Büchlein zur Ästhetik von Papier, wie es in Japan zum Malen und Kalligraphieren verwendet wird. Es ist nie weiß und das Auge wird sofort mit Ruhe erfüllt. Mehr Maulbeeranteil und es wird sandiger im Ton, wärmer. Auf solchem Papier braucht es nur wenige Striche.

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    1. Vielen Dank! Ich mag das bei Büchern auch sehr, wenn man merkt, da wollte jemand nicht nur etwas verkaufen, sondern hat dabei auch an den Leser gedacht. Vor allem bei ästhetisch hochwertigen, gut gestalteten Büchern braucht es einfach gut gesetzte Weißflächen. Wenn es dann ein gutes Papier hat, hat das Buch so viel mehr zu bieten als “nur” den künstlerischen Inhalt.

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